Samstag, 18. September 2010

I can haz old game? #2

Secret of Evermore

Secret of Evermore steht bei Fans oft in einem schlechten Licht, wenn man das Spiel erwähnt. Doch es ist nicht, wie viele damals glaubten (auch ich), eine Fortsetzung des SNES Rollenspiel-Hits Secret of Mana.

 
Hersteller: Square USA
Publisher: Squaresoft
Designer:

Daniel Dociu

Musik: Jeremy Soule
Veröffentlicht: 22. Februar 1996
Genre: Action-Rollenspiel
Sprachen: Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch

Handlung

Die Geschichte beginnt 1965 in Großostheim (Sitz von Nintendo in Deutschland; in der englischen Version Podunk, Sitz von Nintendo in Amerika). Dort steht damals wie heute in einem großen Garten ein geheimes Labor. Das Labor wurde von Professor Igor Seltsam errichtet. Prof. Igor Seltsam entwickelte eine Maschine, die es ermöglichen sollte, ein Tor in eine selbst erschaffene Welt (Evermore) zu öffnen. Doch als die Maschine vorgeführt werden sollte kam es zu einem Unfall, der den Professor mitsamt seinen drei Bekannten aus Großostheim nach Evermore befördert. Bis zum Jahre 1995 blieb das Labor unentdeckt und verwahrloste. Der erste, der das Labor seit dem Vorfall wieder betritt ist ein Teenager, der nach seinem Hund sucht. Durch Zufall entdeckt er die Maschine und wird mit seinem Hund nach Evermore teleportiert.

Seine Ankunft steht schon zu Beginn unter einem schlechten Stern. Auf eine Aufforderung hin, folgt der Junge Edgar – einem von Prof. Selsam entwickelter Androide, der eigentlich für den Haushalt zuständig sein sollte – nach seiner Ankunft in einen leeren Raum. Doch er wird dort sich selbst und zwei Kampfdrohnen überlassen, die er mit der gefundenen Bazooka zu seinem Glück schnell außer Gefecht setzen kann. Seinen Hund findet er wenig später in einer dunklen Kammer in der auch ein Space Shuttle ist. Der Junge betätigt unbeholfen die Zündung und sie verlassen die futuristische Raumstation.

In einer Bruchlandung, in der das Shuttle völlig unbrauchbar wird, findet sich der Junge in einem dichten Dschungel wieder. Doch wo ist sein Hund? Erschrocken stellt er fest, dass sich sein treuer Begleiter in einen prähistorischen Wolfshund verwandelt hat. Nachdem sich die beiden durch das mit nervigen Moskitos und angriffslustigen “Fummelprimeln” bespickte Dickicht geschlagen haben geraten sie vom Regen in die Traufe und müssen sich gegen fiese Raptoren behaupten. Gerade eben können sie den Kampf für sich entscheiden. Ein prähistorisches Dschungeldorf wartet bereits auf sie. Auf der Suche nach dem Oberhaupt werden sie ziemlich überrascht: Oberhaupt ist ein kleines Mädchen namens Zora Zottelzopf und sie offenbart sich als eine Bewohnerin Großostheims. Auch sie wurde Widerwillens vor 30 Jahren nach Evermore katapultiert, war ihr größter Wunsch doch lediglich für ein paar Stunden eine prähistorische Welt mit eigenen Augen sehen zu können. Zora fühlt sich seither sehr für ihr Dorf verantwortlich und vermisst ihren Dorfalchemisten Schlauer Bär der in der Käfersteppe vermisst wird. Sie bittet kurzerhand den Jungen und seinen Hund nach ihm zu suchen und der Junge gibt sich einverstanden. Auch übergibt Zora ihm eine von ihr entdeckte alchemistische Formel an die Hand: den Hitzeblitz. In der Käfersteppe befreit der Junge Schlauen Bär vom überdimensionierten Käfer Vulgor und sie kehren siegreich ins Dorf zurück. Doch es gibt erneut alarmierende Zustände. Der Vulkan kühlt beständig ab und eine Eiszeit droht. Wieder begeben sich Junge und Hund auf den Weg und gehen der Sache auf den Grund. Sie bekommen von Zora Zauberperlen mit auf den Weg, um zu in der Not zur Hilfe rufen zu können. Erschreckenderweise treffen sie im Vulkaninneren auf Zora selbst! Doch halt: Als der Junge fraglich nach ihr Ruft erscheint sie vor ihnen. Ein böser Doppelgänger war für den plötzlichen Temperaturabfall verantwortlich. Der Doppelgänger erledigt Zora und der Junge muss sich einem Lavarex stellen. Beim Sieg über diesen meldet sich der Doppelgänger erneut zu Wort. Verdrossen über den Sieg des Jungen lässt sie kurzerhand den Kern des Vulkans explodieren und die beiden Helden werden weit abseits in einen Fluss katapultiert und beim Sturz von einem Wasserfall voneinander getrennt.

Auf seiner Suche nach einem Weg zurück in die echte Welt wird klar, dass in Evermore eine unbekannte Person die Fäden finsterer Machenschaften zieht. Im Verlauf ihrer Reise durchlaufen der Junge und sein Hund sämtliche Epochen der Geschichte, treffen in jeder davon auf einen Bewohner aus Großostheim und ihren böswilligen Doppelgänger und stellen sich immer mächtigeren Gegnern. Ob sie in dieser Welt heil wieder zu Hause ankommen? Es liegt in eurer Macht...

Entwicklung

Die Entwicklung von Evermore begann in 1994. Ein Team wurde speziell in den USA gegründet, um ein “US Secret of Mana” zu schaffen.

Viele Elemente aus Mana sind auch in Evermore anzutreffen, wie z. B. das Ringmenü, da sich diese Elemente bereits bewährt hatten. Die Größe des Spiels war schon von Stunde Null an ein wichtiges Thema. Anfangs geplant für 12 Megabit wurden gegen Ende der Entwicklung fast doppelt so viel daraus. Bei der Entwicklung waren auch Maßgeblich Squares interne Entwicklungswerkzeuge SAGE (Square's Amazing Graphical Editor) und SIGIL (Square Interpreted Game Intelligence Language) beteiligt. 1995 wurde das Spiel letztlich fertiggestellt und 1996 in einige Sprachen für Europa übersetzt.

Musik

Die Musik wurde von Jeremy Soule komponiert, nachdem er nach dem Abschluss der High School eine Probe seines Könnens an Square schickte und kurz darauf angestellt wurde. Die Musik im Spiel beschreibt er als maßvoll. Daneben kommt auch eine stilvolle Geräuschkulisse zum Einsatz, z. B. im Dschungel, auf einem belebten Marktplatz, in Verließen, etc.

Ein kleiner Auszug der Musik aus Secret of Evermore.

Gameplay

Da viele Spielelemente aus Secret of Mana übernommen wurden gleicht SoE vom Gameplay her größtenteils seinem angesehenen Vorbild. Es werden immer noch Monster umgehauen, Erfahrungspunkte gesammelt und dabei Geld verdient. Zu meinem größten Bedauern enthält SoE allerdings keine Multiplayer-Funktion, auch wenn sich das angeboten hätte. Dennoch kann man sich frei entscheiden, wen man spielen möchte. An ein paar Stellen ist man im Spiel auch auf die Steuerung des Hundes angewiesen.

Falls ihr bisher dachtet, Final Fantasy XIII sei das erste Spiel von Square, das GAME OVER anzeigt, sobald der Anführer den Löffel abgibt muss ich euch eines Besseren belehren. In SoE ist das Spiel ebenfalls vorbei, wenn der Junge keine HP mehr hat. Aber das erscheint noch etwas logischer, da ein Hund wohl schlecht einen Menschen verarzten könnte. Und nein, ihr bekommt im Verlauf des Spiels keinen Bernhardiner.

Eine Änderung hat das Währungs- und Zaubersystem erfahren. Es wird insgesamt zwischen 4 Währungen unterschieden, die sich von Epoche zu Epoche unterscheiden. Auch wird nicht mehr traditionell gezaubert, stattdessen gibt es Alchemie. Um einen “Zauber” zu wirken werden Zutaten benötigt, die entweder gekauft oder gefunden werden können. Man kann bis zu 99 Stück einer Zutat bei sich tragen, insgesamt gibt es 22 verschiedene Zutaten. Somit werden viele verschiedene Formeln realisiert (z. B. 1 Wachs + 2 Öl = 1x Hitzeblitz). Durch das gesagte Spiel hindurch findet man an den verschiedensten Stellen Formeln. Jedoch ist auch das Repertoire an führbaren Formeln begrenzt, es gilt also zu wählen, welche Formeln man gerade braucht.

Das aufleveln von Waffen und Alchemie ist ebenfalls übernommen worden. Allerdings haben alle Waffen ein Levellimit von 3, d. h. jede Waffe hat nur zwei Aufladestufen. Daneben gibt es auch nur 3 Waffentypen: Schwerter, Äxte und Speere. Das ist aber nicht so schlimm, dafür sitzt ihr nicht ewig immer wieder neu am Aufleveln, weil die Waffe um einen Level erweitert wurde. Dazu kommt später wieder eine Bazooka mit 3 Arten Munition (aber erst gaaaanz am Schluss). Witzig ist, dass Speere vor dem zweiten Level ebenfalls als Nahkampfwaffe eingesetzt werden, wer auch immer diese abstruse Idee hatte. Die Waffen werden auch nicht aufgewertet, sondern stärkere Ausführungen werden dem Inventar hinzugefügt. Ihr könnt also auch den Endboss mit den prähistorischen Waffen umhauen (wenn euch nach einer Herausforderung ist).

Vom Stil her erinnert SoE mehr an ein Sci-Fi Adventure RPG als ein Fantasy RPG. Die Reise durch die verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte ist ein netter Neuversuch abseits SoMs durchgehender Fantasywelt. Mir hat er zugesprochen. Auch die Verwandlungen des Hundes mit jeder neuen Epoche sind witzig zu beobachten. Grafisch kommt SoE aufpolierter daher und die Dialoge sind um einiges weniger steif (was ich darauf zurückführe, dass das Spiel von Anfang an westlicher Abstammung war). Vom Systemaufbau her machen sich auch einige Neuerungen bemerkbar, z. B. ist der Prozentzähler nach einem Angriff flüssiger und auch die Schadensgrenze von 999 wurde aufgehoben. Gegner hinterlassen keine Kisten mehr, die erst nach gefühlten 10 Minuten offen sind, sondern die Beute wird aus deren Überresten entnommen (klingt ekliger als es ist, gemeint ist Staub, Knochen, Mus, etc.).

Vermächtnis

Secret of Evermore hat für mich einen Charme, der zwar nicht an den von Mana heranreicht, aber das muss es auch nicht. Evermore hat Dinge anders versucht und ich finde sie gelungen. Auch wenn bei vielen oft der bittere Nebengeschmack des fehlenden Multiplayers oder der zurückgehaltenen westlichen Veröffentlichung von Seiken Densetsu 3 mit hochkommt. Übrigens: Die Anweisung kam von Square Japan direkt. Es kann also keiner sagen, die Amis sind dran schuld, dass es SD3 nicht in den Westen geschafft hat.

Die westlichen Einflüsse gemischt mit dem Gamplay von Mana lassen es erst rund erscheinen. Es spielt sich wie ein JRPG, das westlichen Ursprungs ist und es ist eine gelungene Mischung. Selbst der oberste Chef des Teams das hinter Evermore stand mochte es zuerst nicht, doch heute sieht er es als ein Werk an, das es würdig ist.

Für sehr lange Zeit widerstrebte mir der Gedanke Evermore noch einmal zu spielen. Ich hatte ein Gefühl entwickelt, das mir sagte, das Spiel wäre schlecht geworden und ich wollte es nicht mehr sehen. Hätte mir jemand gesagt sie hätten es gespielt, hätte ich mich dafür entschuldigt. (...) Wir mussten eine Menge Kritik dafür einstecken, kein Seiken Densetsu 3 und auch kein Spiel voll mit japanischer Mythologie geschaffen zu haben. Wir haben auch ein paar dumme Entscheidungen getroffen (z. B. kein Multiplayer) und haben auch einige Fehler in den Puzzle Scripts stehen gelassen. (...) Ich hab beim Spielen ziemlich geflucht, es ausgemacht und für zehn Jahre links liegen gelassen. Ich bin von Natur aus sehr selbstkritisch und der Gedanke nach all den Anstrengungen einen Blindgänger programmiert zu haben brachten mich ziemlich aus der Fassung.

Als ich mich allerdings wieder an das Spiel auf einem Emulator getraut habe (und vor dem ersten Boss schnell-gespeichert habe!), stellte ich fest, dass das Spiel viel besser war, als ich es in Erinnerung hatte. Sicher, die Dialoge sind ein bisschen kitschig, es gibt ein paar Programmierpannen, ein paar Gebiete sind unsinnig, aber im Ganzen hat mich die Tiefe, Breite, Länge und Qualität des Spiels wirklich überrascht. Es machte mir echt Spaß meinen Charakter aufzubauen, die große Nummer zu sein, die Welt (neu) zu entdecken und die Hühner zu ärgern. Evermore macht mich heute stolzer als damals, man kann sogar sagen, ich habe es liebgewonnen.

–Brian Fehdrau, in einem Interview mit Super-NES.com

Und so empfinde ich es ebenfalls. Evermore brauchte einfach seine Zeit um anzukommen. Doch wenn es das erst einmal geschafft hatte, war es ein Juwel, das sich zu Mana gesellen durfte. Ich behandle beide Spiele gleich, trotz des unterschiedlichen Ursprungs. Vor allem die Easter Eggs die im Spiel versteckt wurden (ein Philosoph auf dem Markt schenkt euch eine Rüstung, wenn ihr ihn nicht vom Blitz treffen lasst, versteckte Tauschwaren in einem Sandstrudel) und der Warenhandel, der an Zelda erinnern mag, um noch mehr Vorteile aus dem Spiel zu holen, machen mir immer wieder Spaß. Und so bleibt mir nur zu sagen: Nachdem ihr über Vulgor hinweg seid, wird euch Evermore bestimmt auch nicht mehr los lassen.

Pictures © Square USA

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen