Mittwoch, 17. Juni 2009

Wer andern eine Grube gräbt

Opera macht sich unbeliebt

Als ich diese Schlagzeile gelesen habe, musste ich mich beherrschen vor Lachen nicht vom Stuhl zu fallen. Der Browserhersteller hat sich mit seiner Beschwerde an die EU und deren Folgen so unbeliebt gemacht, dass zum Boykott aufgerufen wurde, der sich mittlerweile auf die ganze Welt ausgedehnt hat.

In dem seit ein paar Jahren erneut umkämpften Markt um Anteile der verfügbaren Browser ist Opera noch einer derjenigen, die sich vom Internet Explorer (IE) übers Ohr gehauen fühlen. Weltweit hat der Browser immer noch über die Hälfte alle Marktanteile. Wie kommt’s? Microsoft liefert Windows standardmäßig mit dem hauseigenen IE aus. Da schon ein Browser mit dem System mitkommt finden das die Benutzer toll und brauchen sich nicht erst noch auf die Suche nach einem solchen Programm begeben. Opera sieht aber darin genau das Problem (und sie sind nicht die Ersten und Einzigen). Da den Benutzern der IE schon von Haus aus mitgegeben wird und von den Computerherstellern auch keine Alternativen vorinstalliert werden, surfen die Leute dann mit dem, was da ist – also dem IE.

Opera hat bereits Ende letzten Jahres bei der EU eine Beschwerde gegen Microsoft eingereicht, in der sie die Trennung von IE und Windows verlangen.

Wozu einen ohnehin nicht so stark genutzten Browser boykottieren?

Stellt euch folgendes vor:

Euer Unternehmen, das ein Produkt führt, das sehr erfolgreich ist (Windows), wollt ihr um ein Zusatzprodukt erweitern (Internet Explorer). Stellt euch weiterhin vor, jemand will euch jetzt zwingen diese Erweiterung, da sie ja die fast totale Marktmacht hat, wieder zu entfernen und durch mehrere Konkurrenzprodukte zu ersetzen.

Kurzum: Microsoft soll verboten werden seine eigenen Produkte gebündelt zu vermarkten. Wahrscheinlich erhofft sich Opera davon mehr Marktanteile. Die gleiche Lappalie spielte sich bereits mit dem Windows Media Player ab, seitdem gibt es Windows XP und Vista Editionen ohne den hauseigenen Musik Player.

Was ich aber verwunderlicher finde ist, dass sie das selbe nicht mit Mac OS X machen. Safari wird mit dem Apple Betriebssystem vermarktet und steht in den Nutzungsstatistiken gleich hinter Firefox der sich erfolgreich gegen den Microsoft Browser behaupten konnte. Was wird passieren, wenn Firefox an der Spitze steht? Geht Opera dann auf Firefox los, wenn sie den erhofften Erfolg nach diesem Griff ins Klo nicht erreichen konnten?

Fakt ist, dass Opera mit so wenig Nutzern zwar allen Grund hat seine Statistiken zu beklagen, jedoch sollte man im Glashaus nicht mit Steinen werfen. Doch es ist passiert und den Schaden, den Opera damit an sich selbst angerichtet hat, könnte dem Hersteller gut das Genick brechen.

Mehr noch: So offen gegen einen anderen Hersteller vorzugehen und ihm über die EU zu verbieten, seine eigenen Produkte zusammen zu vermarkten: DAS ist echte Marktverzerrung! Und jemand der nicht mal 1 % Marktanteile der Marktanteile für sich beansprucht sollte lieber ganz still sein. Wie ich schon sagte, Opera verhält sich wie ein kleines Kind, das seinen Lolli nicht bekommt und sich jetzt tierisch darüber aufregen muss. Und ich dachte die wären Norweger, keine Italiener.

Weiterhin hat Opera nicht mal Ruhe gegeben, nachdem bekannt wurde, dass in der kommenden Windows Version “Windows 7” der IE nicht mehr enthalten sein soll. Nein, Microsoft soll sogar gezwungen werden die Konkurrenz ins eigene Produkt aufzunehmen. Sagt mal geht’s noch? Ich hab BWL zwar nie gemocht, aber selbst ich weiß, dass Unternehmen gewinnbringend durch ihre eigenen Produkte sein wollen. Kein Chef, der noch bei gesundem Menschenverstand ist würde Produkte der Konkurrenz anbieten und riskieren dadurch Gewinn einzubüßen. Aber genau das verlangt Opera von der EU und ihr geringer Marktanteil wäre das perfekte Motiv dafür, bei dem Auswahlfenster für einen alternativen Browser, so wie es von Opera verlangt wird, ihren eigenen in doppelter Größe und den Internet Explorer evtl. nur in einem kleinen, unauffälligen, blauen Link in der unscheinbarsten Ecke unterzubringen. Ich kann mich nur wiederholen: Geht’s noch?

Ein Vergleich der Boykottseite:

“Kein Unternehmen sollte gezwungen werden Konkurrenzprodukte in die eigenen Produkte zu integrieren. Das ist so bescheuert, wie wenn Coca-Cola dazu verdonnert würde Pepsi in ihre Dosen abzufüllen oder Toyota zu verknacken, Motoren von General Motors in ihre Wagen zu verbauen.”

Mit diesem Vergleich sollte klar sein, wie bescheuert Operas Forderung wirklich ist. Wer schon länger mit der Thematik vertraut ist mag vielleicht sagen, dass es endlich mal jemanden gebraucht hat, der mal ordentlich gegen den IE vorgeht. Aber man möge sich doch dann mal vorstellen, wie der Markt heute aussähe, wäre der IE nie gewesen. Gerade weil es den IE gibt, strengen sich die anderen Browserhersteller ja auch so an die Leute mit innovativeren Ideen zu beeindrucken. Beispiele dafür gibt es einige:

  • Mozilla und Operas Browser unterstützten das Tabbed Browsing lange vor dem IE 7 (2006)
  • Die Absturzwiederherstellung war ein Feature von Firefox 2, ein Feature, das Microsoft erst mit dem IE 8 (2009) realisiert hat
  • Googles Chrome geht sogar so weit dem Browser einen eigenen Task-Manager zu spendieren und jedes Tab unabhängig voneinander zu schalten, sodass der gesamte Browser stabil weiterläuft, lediglich das fehlerhafte Tab stürzt ab
  • Chrome und Safari wurden mit mächtigen Rendering Engines ausgerüstet, die die Seiten um einiges schneller darstellen sollen, besonders Online-Anwendungen sollen davon profitieren und blitzschnell da sein
  • Apropos Safari: Der Apple Browser ist auch schon lange nicht mehr Mac-only (die Verteilung war zwar zu Anfang fragwürdig, aber das ist eine andere Geschichte) und hat den Browser schon seit Version 3 auch für Windows im Angebot
  • Operas Speed Dial und Safaris (Version 4) Top Sites bieten schnellen zugriff auf die am häufigsten besuchten Webseiten direkt nach dem Start, für Firefox gibt es ein gleichnamiges Add-on

Mir kann keiner erzählen, der Markt für Webbrowser würde nicht funktionieren. Es sind Ideen da, es wird ständig an Optimierungen gearbeitet, es sind kostenlose Alternativen da. Das Problem ist das Denken der Leute, alles immer auf den Wohlhabendsten zu schieben. Es macht aus meinen Augen einfach keinen Sinn nur zu verbieten, viel besser wäre die Aufklärung á la “Hey, schaut mal, da gibt’s auch noch was anderes. Schaut’s euch mal an, vielleicht gefällt’s euch sogar?” Ich wäre nicht überzeugter Firefox User, wenn mich dessen Funktionsumfang nicht faszinieren würde und mir manche Funktionen in “Konkurrenzprodukten” einfach fehlen. Ich geb’s zu: Ich bin Firefox-abhängig, es ist meine Browsing-Droge!

Fazit

Spaß beiseite: Was Opera versucht über die EU abzuziehen ist es nicht wert deren Browser zu verteidigen. Egal wie viele Acid-Tests das Ding besteht, wer sich als Unternehmen wie ein Kleinkind aufführt und Nationen und weltweite Unternehmen verhetzt, nur um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken, verdient es nicht anders boykottiert zu werden!

Weblinks

Boykottseite
Winfuture.de - Opera: EU soll Windows & Internet Explorer trennen
Winfuture.de - Opera vs. Microsoft: Stellungnahme aus Redmond
Winfuture.de - Windows 7: IE-Abschaltung reicht Opera nicht aus
Winfuture.de - Windows 7 RC: Opera & Mozilla erneuern ihre Kritik

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